Albstadt-Ebingen 2024-09 (Ute Büttner)
Balingen - 2024-06
Die Süddeutsche Zeitung schrieb über Jontef:
"Jontef" ist ein Quartett aus Tübingen, das nicht nur auf eine fabelhaft unspektakuläre natürliche Art jiddische Klezmermusik interpretiert, sondern auch mit hinreißend erzählten Geschichten ein ganz eigenes Lebensgefühl vermittelt.
Viele Klezmer-Formationen gibt es, und manche sind kommerziell wohl erfolgreicher als die Gruppe Jontef. Keine aber ist besser. Denn Jontef schafft es wie wahrhaft keine andere unter der Marketing-Kategorie „Klezmer“ eingeordnete Formation, etwas vom spirituellen, intellektuellen, musikalischen und literarischen Reichtum zu vermitteln, den die Welt dem im 20. Jahrhundert untergegangenen Milieu des osteuropäisch-jüdischen „Stetls“ verdankt. Wobei das Attribut „untergegangen“ ein Euphemismus ist: die Stetls samt ihren Friedhöfen wurden bekanntlich von deutsch-nazistischen Uniformierten dem Erdboden gleichgemacht, ihre Menschen deportiert und ermordet.
Vergnüglich und nachdenklich zugleich wirkend, mit hilfreichen, dabei knappen Erläuterungen den kulturellen und sozioökonomischen Kontext umreißend, lässt Jontef in vielen Facetten den Witz und die emotionale Vielschichtigkeit des Milieus aufscheinen. Man verzeihe den neuerlichen Superlativ: Keine, wirklich keine andere Formation hat bessere musikalische Arrangements. Wirklich jeder im gut 90-minütigen Programm am Mittwochabend in der Rottenburger Zehntscheuer gespielte Titel aus dem sich seit 32 Jahren stetig erweiternden Repertoire war sorgfältig, ingeniös arrangiert oder komponiert. Herausragend unter anderen ein Stück für Violine (Wolfgang Ströle) und Kontrabass (Peter Falk), am ehesten noch vergleichbar einem polystilistischen Werk von Alfred Schnittke, also teils schon die Sphäre Neuer Musik streifend.
Und wie immer, wenn Neues intensiv und fasslich interpretiert wird, fesselt es das Publikum, das bekanntlich, glaubt man Kurt Tucholsky, „gar nicht so dumm ist“, wie es bequeme, dem kommerziell Bewährten verpflichtete Veranstalter gern sagen.
Klarinette und Akkordeon, Hauptinstrumente des Klezmer-Genres spielt Joachim Günther, zugleich Arrangeur und Komponist der Gruppe. Beide Instrumente spielt er wie die besten seiner Zunft. Manche mögen sogar sagen, besser: Weil er sich keine Manierismen zuschulden kommen lässt, wie das immer wieder bis zum Überdruss wiederholte Auftrumpfen mit einem riskanten Pianissimo beispielsweise. Gemeint sind hier natürlich Klezmer-Weltberühmtheiten wie Giora Feldman und David Orlowsky.
Figuren einer Erzählung von Isaak Bashevis Singer, einziger Nobelpreisträger für Literatur in jiddischer Sprache, lebendig gegenwärtig zu lassen, gelingt dem vorzüglichen Schauspieler und Sänger Michel Chaim Langer. Er spielt den seinen Büchern verhafteten Rabbi ebenso überzeugend wie dessen skeptisch-lebenskluge Frau und die verzweifelt Ratsuchende in der Szene „Tote Gänse schreien nicht.“ Sängerisch disponiert er die Mittel seiner angenehm klingenden Baritonstimme klug: Seine Interpretation des jiddischen, überaus charmanten Songs „Ich hob dich lieb“ brauchte keinen Kommentar. Vom hoffenden Anschwärmen, vom Schmachten nach der Liebsten gar zeugten die stimmlichen Nuancen, strahlend zuletzt die vorweggenommene Wunscherfüllung. Die coronabedingt nur 75 zugelassenen Hörer/innen in der Zehntscheuer klatschten enthusiastischen Beifall und erhielten zwei Zugaben
Südwestpresse 9.10.2020
Kritiken als Original-PDF
Chronologie der Kritiken von 1988
bis heute
2011 „Im blauen Mond September“ pdf | pdf
2018 „30 Jahre Jontef“ pdf